Das, was alle haben…

Ich hab mir mal wieder ein paar Gedanken gemacht, die natürlich keinen Anspruch auf Richtigkeit haben! Aber ein bisschen denken schadet nie…


Man könnte Micha und mich als extrem bezeichnen. Man könnte uns auch als uncool oder verrückt bezeichnen. Wir sind in der Blüte unseres Lebens, gerade noch jung genug, um in Clubs nicht „die Alten“ zu sein und alt genug, um alles selbst zu dürfen!

Und was machen wir daraus? Jeden Freitagabend verbringen wir, statt im Club, im Tomatenbeet. Samstags graben wir die Beete um, statt unseren Rausch auszuschlafen… Gut, in Clubs waren wir beide ohnehin nie gerne. Kann mir einer erklären, warum ich es feiern sollte, mich im Gedränge zu Musik, die mich taub macht, bei Luft, die ich nicht atmen kann, von fremden Jungs begrabbeln zu lassen, und dafür auch noch Geld bezahlen soll? Was zur Hölle? Aber wie so vieles, was mir absolut nicht erstrebenswert erscheint, ist dies scheinbar genau das, was alle wollen… Oder?

Vor zwei Jahren im Frühjahr lief plötzlich jedes zweite Mädchen im Alter von 14 bis 20 mit einer schwarzen Plastikjacke in Möchtegern-Lederoptik rum. Die restliche Hälfte hatte spätestens im Sommer nachgezogen und sich die gleiche oder eine ähnliche Jacke gekauft. Die gabs in dem Jahr wohl grad bei Primark oder so.
Im letzten Jahr lief plötzlich ein Mädchen in der Uni mit einer Art bunten Schlafanzugsstoffhose rum… Kaum zwei Wochen später dann 20, einen Monat später gefühlt alle. Ja sicher, super entspannt und ich fänds ja auch cool – wenn ich wüsste, dass sie alle diese Klamotten noch weitere 10 Jahre tragen würden und wenn ich wüsste, dass diese Mädchen nicht schon mehr als genug Hosen im Kleiderschrank haben! Aber das ist der Punkt, an dem ich mir nicht sicher bin! Es gibt so viele Beispiele dafür, dass viele Menschen nur das tun, was sie von anderen abgeschaut haben (und von dem sie beobachten, dass es bei wieder anderen gut ankommt) ohne das eine Notwendigkeit für dieses Handeln besteht.

Was ist das für ein Phänomen? Ist das der Schwarmtrieb, der Menschen dazu treibt, genau das nachzumachen, was andere schon vor ihnen gemacht haben? Haben deshalb nahezu 80% der Männer zwischen 17 und 23 nahezu die gleiche Frisur? Will man denn nicht anders sein? Eigentlich dachte ich, will ein jeder Mensch möglichst individuell sein. Jeder strebt doch danach, als Individuum gesehen und anerkannt zu werden? Ich dachte, jeder Mensch möchte betonen, dass es ihn nur einmal gibt, und dass er, so wie er ist, gut ist? Aber trotzdem wollen die meisten scheinbar größtmöglich angepasst sein an den großen Rest!

Warum sind wir nicht einfach, wer wir sind? In den meisten Fällen wäre das doch sehr gut! Stattdessen laufen wir Idealen hinterher, die uns bewundernswert erscheinen. Wir passen unsere Kleidung an, um in anderen das Bild von uns zu projizieren, das wir gerne wären. Wir schwimmen mit dem Strom, um dazuzugehören. Natürlich gibt es in diesem Strom auch Seitenflüsse. Aber wie alternativ bin ich, wenn ich mich, um alternativ zu sein, bloß neu einkleiden muss – und zwar wiederum so, wie alle anderen Alternativen auch eingekleidet sind? Von Szene zu Szene tut sich in dieser Hinsicht nicht viel. Immer gehörst du erst dazu, wenn du so aussiehst wie die anderen!

Wer mich auf der Straße sieht, findet mich vermutlich nicht unbedingt hip. Weil ich mir keine Mühe geben, auf irgendeine Art und Weise hip zu sein. Ich trage die Jeans, Pullis und Jacken, die ich gerade habe. Nicht unbedingt, weil ich sie schön finde, sondern weil ich sie nun mal habe! Ich trage Reste von anderen, aus Second-Hand-Shops oder geschenkt! Ich denke zwar nicht in stinknormalen Bahnen (glaube ich), aber ich sehe nicht ein, dass ich mich, um dies nach außen zu tragen, komplett neu einkleiden sollte. Ich könnte mir bunte pludrige Schlafanzughosen auf der Straße anziehen, damit alle sehen, wie alternativ ich bin. Ich könnte aber auch darauf verzichten, dafür die Billigproduktion in Dritte-Welt-Länder anzukurbeln. Ich lasse es deshalb sein und hoffe, dass man mich als alternativ wahrnimmt wenn ich alternativ denke, und nicht, wenn ich mir ein alternatives Outfit kaufe!

Worauf will ich eigentlich hinaus? Ich habe keine Ahnung, warum es in diesem Beitrag so sehr um Kleidung geht, das ist eigentlich gar nicht mein Punkt…

Mein Punkt ist vielmehr, dass ich mir wünsche, dass Menschen sich wieder mehr trauen, zu SEIN! Viele Menschen um mich herum sind tagein tagaus damit beschäftigt, anderen zu erzählen, was sie für eine Art Mensch sind, anstatt einfach dementsprechend zu handeln oder zu sein. Einstellungen werden scheinbar nur noch durch Worte und Erscheinungsbild präsentiert, nicht mehr durch Handeln!

Der andere Punkt ist, dass viel mehr Menschen davon überzeugt sein sollten, dass es gut ist, wie sie sind! Der Schwarmtrieb lässt uns scheinbar lauter verrückte Dinge tun, die eigentlich so gar nicht unser persönliches Ding sind! Alles wird nachgemacht, von Kleidung bis zu Reiserouten! Wie frei wären wir, wenn wir darauf keinen Wert mehr legen würden? Wenn wir nicht mehr für andere lebten, sondern für uns? Wir hätten keine Anerkennung von Menschen nötig, deren Anerkennung uns eigentlich nichts bedeutet! Wir könnten unsere Energie dafür verwenden, zu leben – statt vollkommen Unbekannte zwanghaft davon überzeugen zu wollen, dass unser Leben großartig ist, während wir vollkommen aus den Augen verlieren, was unser Leben überhaupt ist.

Wir wollen scheinbar das, was alle anderen schon haben! Scheinbar wollen wir das so sehr, dass wir am Ende oftmals selbst verloren gehen…

Micha und ich versuchen so gut es geht, darauf zu verzichten. Wir versuchen, einfach wir selbst zu sein! Meistens klappt das ganz gut – wir versuchen auch im Garten nicht, irgendwen zu beeindrucken oder irgendwas zu präsentieren. Außer natürlich unsere 9 Tomtensorten und unsere Kürbisernte, auf die wir mächtig stolz sind 😉 Aber eigentlich machen wir das alles einfach nur für uns! Was ich eigentlich mit diesem ganzen Text nur sagen will, ist:

Es gibt nichts, dass uns glücklicher macht, als das, was wir nur für uns tun!
Es gibt wenig, dass mich glücklicher macht, als das zu tun, bei dem ich mir nicht sicher bin, ob es überhaupt jemanden gibt, der mich dafür bewundert!

Es gibt sehr wenig, was mir so viel Spaß macht, wie genau das Gegenteil von dem zu tun, was alle anderen tun! Ich hoffe, dass ich so dem ein oder anderen einen Spiegel vorhalten kann! 🙂 Und manchmal passiert es, dass mein Parka, den ich mir 2009 gekauft habe (als Parka gerade überhaupt nicht cool waren), plötzlich 2015 wieder voll im Trend ist 🙂 Dann würde ich am liebsten etwas anderes tragen, aber da der Parka immer noch seinen Dienst tut, geht er mit mir nicht nur durch die Phasen, in denen er uncool ist, sondern auch durch die, in denen er im Trend ist 🙂

Jetzt gerade sind wir mit dem Garten noch nicht so richtig cool, obwohl die Bewegung da ist! Deshalb macht er mich auch so zufrieden – obwohl ich mir in dieser Hinsicht wirklich eine große Trendwelle wünsche! Was wäre möglich, wenn wir einfach alle unsere Nahrung selber produzieren! Wenn wir auf keine Konzerne angewiesen sind, um satt zu werden, sondern auf unsere Hände. Der Dreck unter den Fingernägeln ist noch nicht wirklich gesellschaftfähig… aber ich hoffe, dass er das bald sein wird! Und das wir lernen, die essentiellen Dinge wieder zu schätzen und die unnützen Dinge zu vernachlässigen! Ich hoffe, dass wir bald nicht mehr blind irgenwelchen Idealen nacheifern, die unsere Persönlichkeit zu einem Standardmodell machen. Ich hoffe einfach, dass wir bald wieder lernen, zu leben!

23 Gedanken zu “Das, was alle haben…

  1. Aber gärtnern ist derzeit doch schwer ‚in‘ oder ist das schon wieder vorbei?
    In der Gruppe unterzutauchen gibt psychologisch gesehen Sicherheit und so ganz doof ist das auch nicht. Nur wird das in unserer Zeit ad absurdum geführt durch mediale Hirnwäsche mit Konsumzwang und daraus resultierender Uniformität.
    Die hamsterradelnde Masse hält halt das kranke System am laufen, sollen wir ihnen dankbar sein weil wir nicht wissen, wie übel es sonst schon wäre oder soll man sie aufwecken um vielleicht eine bessere Gesellschaft noch erreichen zu können? Bin immer hin- und her gerissen. Mein Elfenbeinturm ist sehr bequem, aber wenn ich sehe, was sich in den letzten 25 Jahren zum Schlechten verändert hat und was in den nächsten 25 noch kommen mag… herrje

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    1. Ich gebe Oli recht. Es ist immer eine Gruppe, eine Phase die uns Menschen antun mitzieht. Scheinbare Individualität gibt es nur bedingt. Wenn du diese suchst musst du dich rigoros von allen Medien absagen!! Denn wir werden stets ganz subtil beeinflusst!! Aber nicht desto trotz darf man sich als Individuum fühlen nur sollte man seine Idividualitiät nicht so wichtig nehmen. Sei einfach du und mach dir keinen Kopf ob du gerade Mainstream oder Alternativ bist, Hauptsache du fühlst dich wohl.
      😊💜💜💜
      Alles Liebe Mion

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      1. Da geb ich mein Bestes 😀 Und ich wunder mich immer wieder, wie schnell ich mit den immer gleichen Dingen mal total alternativ und dann wieder total mainstream bin 😀

        Liebe Grüße!

        P.S.: Sind übrigens die Magentaspreen-Samen schon angekommen? 🙂

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      2. Genau das ist die Hauptsache dass du zufrieden bist!!!😊
        Leider ist mein neuer Liebling noch nicht angekomnen.😯
        Bestimmt nach den Feiertagen…

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    2. Das sind interessante Gedanken 🙂 Ich fühle mich in unserem Elfenbeinturm auch sehr wohl, keine Ahnung, was wäre, wenn die hamsterradelnde Masse aufwachen würde…

      Das gärtnern ist scheinbar schwer in, genau wie imkern… Aber trotzdem liegt der Altersdurchschnitt unserer Gartennachbarn über 80 und im Imkerlehrgang auch deutlich über 50 😀 Also denke ich hier wieder, dass vielleicht das theoretische „wollen“ zum in sein reicht, und das handeln selbst gar nicht so in ist…. Ich weiß es nicht.. Vielleicht unterscheidet sich das auch von Region zu Region, ich glaube z.B. Berlin tickt da noch deutlich anders als das ländliche Rheinland 😀

      Liebe Grüße!

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  2. Haha super, ich musste so schmunzeln und möchte hiermit gern in euren Club der „Uncoolen“ eintreten, denn genau solche Menschen sind es, die ich auch noch am ehesten um mich haben mag, weil ich da genauso bin. Parfüm, Kino, CD´s (oder MP3s), Klamottenshoppen, auf Parties gehen, sich über Autos Gedanken machen oder einen teuren Fernseher kaufen, das gibt es in meiner Welt nicht. Und das tut so gut! Allerdings denk ich auch manchmal: oh Gott, wie langweilig. Hobby: Gern für sich sein, zuhause, im Wald auftanken. Und Anfang 30 sein und abends mit Moos und Zweigen die Wohnung dekorieren 🙂 Klingt unspektakulär, aber ich bin mir sicher, dass es genau das richtige ist.
    Und eure Tomatenernte und euer Wohlbefinden sind ein um so viel wertvollerer Lohn als jede Anerkennung Anderer aufgrund oberflächlicher Maßstäbe!

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    1. Na dann: Willkommen im Club der Uncoolen 😀

      Den Gedanken „oh Gott, wie langweilig“ kenn ich, wenn wieder mal alle losziehen, und ich lieber Zuhause bleibe und Grünkohl aussäe 😀 Aber wir dürfen uns glücklich schätzen, dass wir wissen, was uns wirklich zufrieden macht! Und das wir scheinbar den Mut haben, das auch zu leben! 🙂

      Liebe Grüße!

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  3. Schöne Gedanken, die resonieren … ich habe schon länger überlegt, ob ich auch mal einen Beitrag zu dem Thema schreiben will, aber ich hab’s bis jetzt noch nicht geschafft meine Gedanken zu sortieren. Bald, bald, wenn es weiter regnet wahrscheinlich eher früher als später 😉

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  4. Ich habe Tränchen in den Augen und freue mich von Herzen über euch „jungen Leutchen“. Da wird einem für die Zukunft nicht bange! Ihr seid wunderbar!!! Herzliche Grüße vom Mama Mirembe 🙂

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